AUGEN AUF BEIM ROHSTOFFKAUF
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Das Phänomen existiert bereits seit den Anfängen des Handels: Produkte werden aus wirtschaftlichen Motiven oder in betrügerischer Absicht manipuliert, um mehr herauszuholen, als auf ehrlichem Weg möglich wäre. Besonders häufig trifft es Naturprodukte aus fernen Ländern wie Kaffee, Tee, Chia, Kräuter und Gewürze – die Liste der von Lebensmittelverfälschung (engl.: Food Adulteration) beziehungsweise Lebensmittelbetrug (engl.: Food Fraud) betroffenen Güter ist lang. Auch Produkte aus den europäischen Nachbarländern, darunter Fleischwaren, Milch, Nussprodukte oder das beliebte Olivenöl, sind betroffen.Ebenso unzählige industriell hergestellte Produkte, deren Rezeptur und Sensorik auf Inhaltsstoffen mit funktionellen Eigenschaften basieren.
Bereits die unsachgemäße Ernte oder Verarbeitung des Pflanzenmaterials birgt schwerwiegende Risiken, wenn falsche Schlussfolgerungen hinsichtlich Wirkung und Verwendbarkeit gezogen werden. Die Globalisierung der Handelsströme macht es der institutionellen Lebensmittelüberwachung zusätzlich schwer. „Kooperationen wie das EU Food Fraud Network sind ein Schritt in die richtige Richtung, doch die Eigenverantwortung bleibt“, meint Dr. Stefan Siebrecht, Geschäftsführer des Ingredient-Spezialisten Taiyo, und betont: „Jedes Unternehmen ist gefordert, die Authentizität der Rohstoffe durch hiesige Analyselabors bestätigen zu lassen und jede einzelne Lieferung am Werkstor noch einmal zu überprüfen.“
Ein Problem von globalem Ausmaß
Zu den Top 10 der meistverkauften Kräuter und Nahrungsergänzungen in den USA zählten 2016 unter anderen Cranberries, Sonnenhut, Grüntee, Leinsamen/Leinöl, Ingwer, Baldrian und Kurkuma. Anlässlich der Supply Side West 2018 in Las Vegas erklärte die American Herbal Products Association (AHPA), dass 16 der 20 meistverkauften Kräuter in den USA stark gefälscht oder verfälscht seien, das entspricht 80 Prozent. Der kanadische Forscher Steven Newmaster kritisierte 2013 im Rahmen einer Studie zum DNA-Barcoding die fehlenden Standards zur Authentifizierung von pflanzlichen Produkten. Von 44 pflanzlichen Produkten und 50 Blattproben, die anhand von Standard-Referenzmaterial aus einer Kräuter-Barcode-Bibliothek bestimmt wurden, enthielten 59 Prozent der Proben undeklarierte Pflanzenarten, die DNA eines weiteren Viertels war nicht bestimmbar. Ein Johanniskrautprodukt bestand zu 100 Prozent aus Fabaceae-DNA (Hülsenfrüchtler) – ein Abführmittel, das schwerwiegende Leber- und Dickdarmschäden verursachen kann.
Mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis-Produkten wuchs das Interesse an nicht psychoaktivem CBD-Öl. Bereits 2017 belegte eine niederländische Studie, dass von 21 untersuchten CBD-Ölen aus privatem Patientenbestand nur zwei Öle tatsächlich legal waren. Handelsübliche Chiasamen können häufig bis zu zehn Prozent preiswertere Leinsamen enthalten. Fachleute gehen davon aus, dass bis zu 75 Prozent verfügbaren Matchas von minderer Qualität oder verfälscht sind. Getäuscht wird auch bei der Aminosäure L-Theanin, die eine entspannende, Stress reduzierende Wirkung hat. „Eine für den Herbst angekündigte Veröffentlichung der italienischen Foundation Edmund Mach unter Leitung von Professor Perini wird belegen, dass unter allen in Europa verfügbaren L-Theanin-Quellen, die mithilfe der Isotopen-Methode analysiert wurden, nur Taiyos L-Theanin nachweislich natürlich ist“, so Siebrecht gegenüber food design.
Alte Tricks und neue Analysemethoden
Verschnittene Produkte können mithilfe von synchroner Fluoreszenzspektroskopie kombiniert mit Chemometrie identifiziert werden, petrochemische Verunreinigungen mit der C14-Isotopenanalyse. Und mithilfe der C3- und C4-Photosynthese kann anhand der Isotope C12 und C13 belegt werden, ob ein synthetischer Nachbau vorliegt. Mittels Lipidanalyse lassen sich anhand der Fettsäuren und Sterole wertlose von wertvollen Trüffeln unterscheiden. Geruchs- und Geschmacksprofile ermöglicht die Ultrahochleistungs-Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (UHPLC-MS).
Wie handhabt Taiyo, das seit 1946 zu den führenden Herstellern von funktionellen Inhaltsstoffen zählt, Rohstoffbeschaffung und Garantie für authentische Produkte? „Für den Großteil unserer Produkte streben wir die Zertifizierung an, um unseren Kunden das Labeling zu erleichtern, aber auch die Zertifizierung ihrer eigenen Produkte“, sagt Siebrecht. So hat etwa Taiyos Ballaststoff Sunfiber aus der indischen Guarbohne (Cyamopsis tetragonolobus) im November 2019 das ISO-Zertifikat als 100 Prozent natürlicher Inhaltsstoff erhalten (ISO 19657:2017). Matcha bezieht Taiyo von einem großen japanischen Partner, der ein authentisches Bio-Produkt garantiert, das dem Anbau- und Produktionsprozess für den höchsten Qualitätsgrad entspricht. „Das ist wichtig, weil sich preisgünstiger, untergemischter oder fälschlicherweise als Matcha deklarierter Grüntee nicht mittels DNA-Test nachweisen lässt – die Spezies Camelia sinensis ist die gleiche“, betont Siebrecht.
Anderen Grüntee lässt das Unternehmen nach japanischem Standard in China anbauen und kontrolliert vom Landbau über die Ernte bis hin zur Extraktion der Teeblätter die gesamte Prozesskette. Verarbeitet werden die Rohwaren in Taiyos eigener Produktionsstätte nach den strengsten Qualitätsmaßstäben im weltweiten Vergleich (FDA-Richtlinie 40CFR180). Chiasamen bezieht Taiyo vom weltgrößten Anbieter in Chile, der dank ausgefeilter Sortier- und Reinigungsprozesse einen Reinheitsgehalt von 99,95 Prozent garantiert und dessen Qualitätsmanagement Halal-, Koscher- und Bio-Zertifizierungen ermöglichen. Für Stefan Siebrecht liegt die Bekämpfung von Food Fraud im globalen Interesse. „Wir brauchen weltweit gültige Standards und eine autorisierte Regulierungsbehörde, die über die gesamte Prozesskette bis hin zum Verbraucher gültige Normen festlegt“, fordert der Taiyo-Geschäftsführer.