EINSATZ IM HERZ DER PRODUKTION
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Das Familienunternehmen startete vor knapp dreißig Jahren in Villa María, Argentinien, mit dem Plan, pro Tag rund 30.000 Liter Milch zu verarbeiten. Nach kontinuierlichem organischem Wachstum und mehreren Betriebserweiterungen, zu denen der Bau einer modernen Anlage zur Herstellung von Milchund Molkepulver gehörte, verarbeitet Noal heute mehr als 1,2 Millionen Liter Milch pro Tag und gehört damit zu den fünf größten Molkereien in Argentinien.
Setzt man die Anzahl der Mitarbeiter in Bezug zur Milchmenge, kommt man auf 8.000 Liter pro Mitarbeiter und Tag. Das ist ein hervorragender Wert für eine Molkerei. Der Business- Plan sieht vor, dass kurzfristig mehr als 1,5 Millionen Liter Milch verarbeitet werden sollen, mittelfristig sogar zwei Millionen Liter. Dann wird Noal eine der produktivsten Großmolkereien im Heimatmarkt sein – mit einer Produktivität von annähernd 14.000 Litern pro Mitarbeiter und Tag. Dieses Ziel wird mit Hilfe eines ehrgeizigen Transformationsprojekts erreicht, das aktuell in die Praxis umgesetzt wird – gemeinsam mit Stäubli und der ETI S.A., einem argentinischen Experten für Automatisierungstechnik.
Erste Roboterlinie für Hartkäse
Im November 2019 nahm Noal eine neue Käseproduktionslinie in Betrieb und setzte damit ein wirklich innovatives Konzept in die Molkereipraxis um. Die Ingenieure von ETI projektierten eine Linie mit fünf Stäubli-Sechsachsrobotern vom Typ TX200 he. Das ist nicht ungewöhnlich – wohl aber die Tatsache, dass die Roboter nicht im Verpackungsprozess eingesetzt werden, sondern unverpackten Hartkäse handhaben. Die Herausforderung bestand unter anderem darin, den hohen Hygienestandard gemäß HACCP-Anforderungen durch regelmäßige und sehr gründliche Reinigung sicherzustellen.
Der Einsatz der HE-Version (Humid Environment) des Stäubli TX200 ist deshalb zwingend erforderlich. Der HE-Standard wurde von Grund auf für derartige Anwendungen entwickelt: Alle besonders beanspruchten Teile bestehen aus rostfreiem Stahl. Es gibt keine Toträume, in denen sich Wasser und Verunreinigungen absetzen können. Sämtliche Oberflächen sind glatt, gewölbt und leicht zu reinigen. Die Roboter zeigen sich beständig gegen Reinigungslösungen mit pH-Werten von zwei bis zwölf. Damit erfüllen sie die internationalen Hygienestandards der Lebensmittelproduktion (EHEDG und HACCP).
Eben diese Anforderungen gelten auch bei Noal. Das Unternehmen ist gemäß HACCP und BPM zertifiziert. Die Roboter und ihre Greifer werden täglich im Washdown-Verfahren gereinigt – zuerst mit Wasser, dann einer Reinigungsflüssigkeit. Eine solche Behandlung würde einen konventionellen Roboter schnell unbrauchbar machen – aber nicht den TX200 he. Er ist vollständig gekapselt und nach den Grundsätzen des Hygienic Designs konstruiert.
Mit der Leistung dieser ersten robotergestützten Produktionslinie für die Handhabung von unverpacktem Käse sind sowohl Noal als auch die Projektplaner und Systemintegratoren bei ETI vollständig zufrieden. Die zuvor festgelegten Ziele – saubere und sichere Prozesse, vereinfachte Verfahren und ein innovatives Produktionskonzept – wurden umgesetzt. Deshalb überrascht es nicht, dass die Verantwortlichen ein ganz ähnliches Konzept bei einer zweiten Produktionslinie realisieren wollten – diesmal für Weichkäse. Auch hier wurde wieder ETI mit der Projektierung beauftragt. Die Aufgabe der neuen Linie besteht in der automatisierten Befüllung von Formen mit weißem Käsebruch (Weichkäse) sowie dem Handling der Formen nach der Reifung. Ein Roboter greift jeweils eine bereits desinfizierte Form und legt sie in ein Abfüllsystem ein. Anschließend nimmt ein zweiter Roboter die gefüllten Formen und stapelt jeweils elf Formen auf einem Förderband.
Zweite Roboterlinie für Weichkäse
Die Stapel werden dann zu einem zweieinhalbstündigen Gärungsprozess transportiert und während dieser Zeit mehrfach vollständig gedreht. Wenn das Zwischenprodukt den gewünschten pH-Wert erreicht hat, ist die Säuerung abgeschlossen und die Stapel werden zum Salzbad transportiert, wo eine weitere zweistündige Reifung stattfindet. Nach Abschluss des Salzens werden die Formstapel auf ein Pufferband aufgegeben und von einem weiteren Stäubli-Roboter entstapelt. Zum Schluss werden die Formen auf ein Förderband aufgesetzt und der Waschstation zugeführt.
Dieses vollautomatisierte System, bei dem Roboter die zentralen Aufgaben des Produktund Behälterhandlings übernehmen, ermöglicht hohe Effizienz und Präzision bei den folgenden Prozessschritten: Befüllung der For men, Gärung, Salzen, Entstapeln und Reinigen der Formen. Hier kommen ebenfalls Stäubli TX200 in der hygienegerechten HE-Ausführung zum Einsatz. Diese zweite Linie ist seit 2022 in Betrieb – und Noal ist damit ebenso zufrieden wie mit der ersten.
In der ersten, schon 2019 in Betrieb genommenen Anlage wird der Halbhart- beziehungsweise Hartkäse in mikroperforierten Formen bereitgestellt. Zwei Roboter setzen die zuvor gewaschenen und desinfizierten Deckel auf die Formen und positionieren sie auf der Zuführung zum Förderband für die Pressstationen. Dort schieben Linearsysteme die Formen in die automatischen Pressen. Nach etwa einer Stunde in der Pressanlage werden die Formen zur Entformungsanlage transportiert. Zwei weitere Roboter entfernen die Deckel von den Formen, halten sie in den Waschtunnel und bewegen sie dort hin und her. Auch beim anschließenden Gebläsetrocknen halten die Roboter die Deckel fest. Anschließend werden die Käse aus den Formen genommen. Dann entfernen die Roboter die Formen und positionieren sie ebenfalls im Waschtunnel. Die entformten Käselaibe werden zur Schneideanlage gebracht und zum Abschluss in Salzlake getaucht. Die vier Roboter können auf diese Weise vier Tonnen Halbhart- und Hartkäse pro Stunde verarbeiten.
Diese erste Linie kann sowohl Halbhart- als auch Hartkäse produzieren. Wenn Parmesan als besonders harter Käse hergestellt wird, kommt ein zusätzlicher Roboter zum Einsatz. Er konzentriert sich auf die Stapelbildung der Formen für den Säuerungsprozess. Nach dem Abschluss dieses Prozesses übernimmt er die Entstapelung, dreht die Formen für die Entleerung und positioniert sie an der Übergabe zum Waschtunnel.
Wettbewerbsfähig dank hoher Produktivität
Agustin Pfaffen, Verkaufsleiter von ETI, erläutert die Gründe für den Einsatz der Roboter: „Die Lebensmittelindustrie hat sehr hohe Anforderungen und Standards, insbesondere im Hinblick auf Hygiene und Sicherheit in der Produktion. Als renommiertes und exportstarkes Unternehmen ist Noal darauf angewiesen, definierte Standards in Sachen Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit zu erfüllen, um zu 100 Prozent exportfähige Produkte zu erhalten. Und natürlich muss höchste Produktivität erreicht werden, um wettbewerbsfähig zu sein.”
„Unsere Absicht”, so Pfaffen weiter, „ist es immer, unseren Kunden disruptive Lösungen zu bieten. Deshalb haben wir so weitgehend automatisiert wie möglich. Noal wünschte eine saubere Produktionslinie mit niedrigen Betriebskosten, sehr geringem Wartungsaufwand und möglichst wenig menschlichen Eingriffen. Unter diesen Umständen war für uns die Entscheidung für Stäubli ganz logisch. Stäubli ist der einzige Hersteller, dessen Roboter zum Produktionsprozess bei Noal passen.“
Die hygienischen Anforderungen des Projekts und die besonderen Umgebungsbedingungen waren ohne Frage herausfordernd. Agustin Pfaffen: „Aber genau das gab Stäubli und uns die Möglichkeit, mit einem Roboter, der perfekt auf dieses Umfeld abgestimmt ist, ins Herz der Produktion zu gelangen.” In naher Zukunft wird die Zusammenarbeit von Noal, ETI und Stäubli durch weitere Projekte fortgesetzt – mit dem gemeinsamen Ziel, die Produktionsprozesse weiter zu automatisieren und zu rationalisieren. Aktuell wird die Einbindung von Scara-Robotern in Hygienic Design-Ausführung in die Käseherstellung geprüft.
Diesen Artikel finden Sie in LT 1-2/2024 auf den Seiten 16 bis 18.
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