VORREITER IN DER GETRÄNKEBRANCHE
Seite 1/1 4 Minuten
Seit 1455 beten und arbeiten Benediktinermönche in Andechs. Hier, etwa 45 Kilometer südwestlich von München, oberhalb des Ammersees, befindet sich auf dem "Heiligen Berg Bayerns" das Kloster Andechs. Es hat eine eigene Landwirtschaft mit rund 200 Hektar Wald und 200 Hektar Grünland – und natürlich die berühmte Brauerei. Daneben gibt es den Klostergasthof sowie das Bräustüberl, das seit Jahrhunderten als Pilgergaststätte bekannt ist. Die klösterlichen Wirtschaftsbetriebe haben heute zusammen etwa 200 Mitarbeitende. Seit 1850 ist das Kloster Andechs Wirtschaftsgut der Abtei Sankt Bonifaz in München. Diese wurde 1835 durch König Ludwig I. von Bayern gegründet.
Die Andechser Brautradition wird fortlaufend durch moderne Methoden und Verfahren weiterentwickelt. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach dem Kulturgut Bier kommen vorhandene Produktionskapazitäten irgendwann an ihre Grenzen. Daher traf die Klosterbrauerei Andechs die Entscheidung, für eine höhere Produktionsleistung in neue zeitgemäße Abfüll- und Transporttechnik zu investieren. „Die Flaschenfüllerei musste erneuert werden, nachdem sie fast 30 Jahre in Betrieb war“, erläutert der für die Technik im Unternehmen zuständige Stefan Müller. Die seinerzeit verbauten Komponenten waren nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Ein weiterer Fokus lag auf der Umweltverträglichkeit der Anlage, vor allem in Hinblick auf den Energieeinsatz. Müller fährt fort: „Innerhalb kürzester Zeit sollte der Umbau erfolgen. Um einen längeren Stillstand zu vermeiden, wurde für die Füllerei ein neues Gebäude errichtet.“ Dadurch war ein kurzer Wechsel der Produktion in nur wenigen Tagen möglich. Zugleich sollten auch neue Lagerkapazitäten geschaffen werden. So wird das bisherige Gebäude heute als Lager für rund 1.500 Leergutpaletten genutzt.
Für den Neubau beauftragte die Klosterbrauerei Andechs die BMS Maschinenfabrik in Pfatter bei Regensburg mit der Entwicklung des Gesamtlayouts der Mehrweglinie. Parallel dazu erfolgte die Implementierung von Transportmodulen im Nass- und Trockenteil. „Bei den Antrieben haben wir uns aus mehreren Gründen für SEW-Eurodrive entschieden“, berichtet Stefan Müller. „Die dezentralen Antriebe Movimot hatten wir schon im Einsatz und gute Erfahrungen mit dieser Technologie gesammelt. Wir erhielten die Zusage, dass wir auch bei der Inbetriebnahme der neuen Technik voll unterstützt werden.“ Albert Schenker, Kundenbetreuer im Drive Technology Center Süd von SEW in Kirchheim, bestätigt: „Natürlich war der Support jederzeit gewährleistet. Sowohl für die Klosterbrauerei Andechs als auch für uns war bei diesem Projekt vieles ganz neu. Ich empfahl dem Kunden Movi-C, unsere neueste Technik. Es war die richtige Entscheidung für beide Seiten.“ Sicher spielte auch die regionale Nähe eine Rolle, zum Beispiel bei eventuellen Servicefällen, denn die Brauerei hat keine große Lagerhaltung. Mittlerweile ist die Abfüllanlage einige Jahre in Betrieb, zur vollen Zufriedenheit von Andechser. Mit ihr wurde die Abfüllleistung von 20.000 auf 24.000 Flaschen pro Stunde erhöht. Gleichzeitig konnte der dafür notwendige Energieeinsatz reduziert werden.
Zwei Palettierer im Lagerbereich
Der Materialfluss in der neuen Füllerei stellt sich folgendermaßen dar: Bierkästen mit leeren, gebrauchten Flaschen werden auf Paletten in den Lagerbereich geliefert und dort entladen. BMS installierte zwei Palettierer Unipal 105 zur Be- und Entpalettierung dieser Kästen. Dann werden sie auf Rollenförderern in die benachbarte Füllerei transportiert. Dort erfolgt zunächst eine Prüfung, ob die Kästen in Ordnung sind und die Flaschen automatisch ausgeladen werden können. Falls nicht, wird der Kasten ausgeschleust und manuell ausgepackt. Das kann erforderlich sein, falls etwas verklemmt ist oder eine Flasche quer im Kasten liegt. Anschließend wird der Kasten zum Entkorker transportiert, danach zur Flaschenkontrolle. „Eine Leerguterkennung prüft in den Kisten, was standardisierte NRW-Flaschen sind, die wir verarbeiten, und was Fremdflaschen sind“, erläutert Müller. „Das ist notwendig, weil es im Handel viele unterschiedliche Flaschenformen gibt. Daher kann der Anteil der Fremdflaschen teilweise bis zu 30 Prozent betragen.“ Diese Quoten beim Leergut kommen unter anderem deshalb zustande, weil Andechser Biere bundesweit vertrieben werden. Ein Sortierauspacker Unipack 103 von BMS, dessen Packköpfe einzeln ansteuerbar sind, sortiert die NRW-Flaschen zuverlässig aus. Alle anderen gelangen auf ein separates Band, werden dann manuell in Kisten eingepackt und in ein Tauschlager transportiert. Die Leerkästen fahren zum Kastenwascher, werden dort gereinigt, anschließend zum Flascheneinpacker transportiert und somit in den Kreislauf zurückgeführt.
Die NRW-Leerflaschen werden zur Flaschenreinigungsmaschine Lavatec E2 von Krones befördert. Neben einem hohen Durchsatz geht sie ressourcenschonend mit Gas und Frischwasser um. Für mehr Energieeffizienz sorgen auch die Antriebseinheiten Movigear performance, die die Zu- und Abführbänder mit den Flaschen antreiben. Nach der Reinigung durchlaufen sie einen Leerflascheninspektor. Der prüft mit Hilfe eines Kamerasystems, mit Infrarot und Ultraschall, ob sich Restflüssigkeit in der Flasche befindet, ob die Flasche verschmutzt ist, einen Riss hat und ihre Mündung in Ordnung ist – kurzum alles, was heute technisch möglich ist.
Anschließend werden die inspizierten Flaschen über Förderbänder zur Abfüllung transportiert. Ein Flaschenfüllerkarussell von Krones evakuiert die Flaschen zunächst und spült sie dann mit CO2. Zur Vermeidung von Sauerstoffeinlagerung und um den Druck aus dem Getränk auszugleichen, werden sie anschließend ein weiteres Mal evakuiert und noch einmal gespült. Die Bierflaschen werden so befüllt, dass sie überschäumen, und dann sofort verschlossen. Anschließend wird der Füllstand kontrolliert, die Flaschen abgespült und danach etikettiert. Schließlich packt eine BMS-Portalmaschine Unipack 2.0 die Flaschen in Kisten, die anschließend zur Palettierung ins Lager transportiert werden. Hier kommen die beiden Palettierer Unipal 105 erneut zum Einsatz, jetzt zur Palettierung der Bierkästen. Somit schließt sich der Materialkreislauf.
Antriebe aus dem Systembaukasten
„An den zahlreichen Förderstrecken für Kästen und Flaschen wollte der Kunde energieeffiziente Antriebe in dezentraler Technik einsetzen“, erläutert Schenker. „Somit waren die Movigear performance aus dem Automatisierungsbaukasten Movi-C prädestiniert. Sie haben die Energieeffizienzklasse IE 5 und lassen sich über Profinet ansteuern, was ein weiterer Wunsch von Andechser war.“ Die Antriebseinheiten werden für waagerechte Förderstrecken eingesetzt und benötigen daher keine Bremse. Für schräge Förderstrecken, die eine Bremse erfordern, kommen Standard-Asynchronmotoren zum Einsatz, die über motornahe Umrichter Movimot flexible aus dem Systembaukasten Movi-C gespeist werden. Dank dessen horizontaler Durchgängigkeit – durch alle Elektronikprodukte – lassen sich unterschiedlichste Motortypen mit nur einem Umrichtertyp ansteuern und man benötigt nur eine Engineeringsoftware.
„Dieses Projekt war die erste Anlage mit Movigear und integrierter Antriebselektronik, die SEW-Eurodrive für einen Brauereikunden geplant hat, und die erste, die in Deutschland installiert wurde“, erinnert sich Albert Schenker. Stefan Müller ergänzt: „Wir haben einen guten Draht nach Kirchheim und immer Vertrauen gehabt. Zudem schätzen wir sehr die Offenheit, mit der SEW uns begegnet.“ Auch die BMS Maschinenfabrik, die mit dem Antriebsspezialisten schon in vielen Projekten zusammenarbeitete, war bereit, alle gestellten Anforderungen mit der neuen dezentralen Technik umzusetzen.
Diesen Artikel finden Sie in LT 3/2024 auf den Seiten 12 bis 15.
Ihr Weg zum Abo: Klicken Sie hier!