PROFIS FÜR DAS PFLANZENBASIERTE
Seite 1/1 6 Minuten
Welche Möglichkeiten bieten pflanzliche Rohstoffe für die Lebensmittelproduktion? Die GDL widmet dieser Frage seit März 2021 eine Online-Vortragsreihe. Hintergrund ist die Nachfrage der Verbraucher nach pflanzlichen Lebensmitteln, die seit einigen Jahren rapide ansteigt. Kaum eine andere Produktgruppe ist in letzter Zeit so stark gewachsen. Wie ein Bericht des Smart-Protein-Projektes aus dem Februar 2021 zeigt, verzeichnet der europäische Markt für Plant-based-food ein Wachstum von 49 Prozent. Auch in Deutschland zählen pflanzliche Milch- und Fleischalternativen zu den Verkaufsschlagern: Hier betrug das Umsatzplus bei derartigen Produkten 97 Prozent.
Ein Sachverhalt, der sich im aktuellen Ernährungsreport widerspiegelt. Jährlich beleuchtet die repräsentative Umfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die Ess- und Einkaufsgewohnheiten der Deutschen. Zu den Kernergebnissen aus 2021 zählt: Gut schmecken muss es 99 Prozent, dies ist seit Beginn der Befragung unverändert wichtig. Für 91 Prozent der Befragten muss Essen gesund sein. Regionale Herkunft spielt mit 82 Prozent weiter eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Lebensmittel. Der tägliche Konsum von Gemüse und Obst ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, bei mehr als Dreiviertel der Befragten landen sie täglich auf dem Tisch. Der Verzehr von Fleisch und Wurst nimmt ab: 26 Prozent der Befragten essen diese täglich oder mehrmals täglich (2015: 34 Prozent). Alternativen zu tierischen Produkten nehmen acht Prozent der Befragten nach eigenen Angaben mindestens einmal täglich zu sich.
Und die Zahlen aus Deutschland zeigen auch: Der Anteil der Vegetarier und Veganer hat zugenommen – auf jetzt zehn beziehungsweise zwei Prozent. „Gerade die pflanzliche Ernährung wird mit einer gesunden Ernährung assoziiert“, sagt Torben Ebert, zuständig für den technischen Vertrieb bei der Georg Breuer GmbH, Anbieter pflanzlicher Ingredients. „Und sie ist mittlerweile eine globale Entwicklung geworden. Weltweit wird die Anzahl der vegetarisch/vegan lebenden Menschen auf fast eine Milliarde geschätzt. Der Veganismus ist ein Trend, um den wir in unserer täglichen Arbeit nicht mehr herumkommen. Er ist einer der wichtigsten Treiber in der Lebensmittelindustrie,“ erklärte er gegenüber den Teilnehmern des Webinars.
Proteine aus der Sonnenblume
Die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln befeuert den globalen Markt für pflanzliche Proteine. Neben etablierten Quellen wie Soja gewinnen Hülsenfrüchte, Raps, Hafer, Kartoffeln, Reis, Mais und alte Getreidearten zunehmend an Bedeutung. Auch das Sonnenblumenprotein gerät vermehrt in den Fokus der Produktentwickler. Georg Breuer bietet es zur Anreicherung sowie als funktionelle Alternative zu anderen Proteinen an. „Wir merken, dass Sojaproteine nicht mehr so stark bei deutschen Verbrauchern gefragt sind“, erläuterte Ebert. Gründe hierfür sieht er in der Diskussion um gentechnisch veränderte Organismen oder der Anbausituation in Südamerika, die aufgrund der massiven Abholzung von Regenwald in der Kritik steht. Sonnenblumenprotein sind im Gegensatz zu Soja kein Allergen und GMO-frei. Einen weiteren Vorteil sieht Ebert in dessen Verfügbarkeit. Denn die Proteine lassen sich aus dem Presskuchen extrahieren, der als Nebenprodukt bei der Ölgewinnung anfällt. „Dieser enthält immer noch sehr viele wertige Proteine. Sonnenblumenkerne lassen sich so fast vollständig verwerten, womit eine ganzheitliche Verwendung des Rohstoffes ohne Überschüsse gewährleistet ist“, so Ebert.
Die für die Gewinnung des Proteins verwendeten Sonnenblumenkerne stammen bei Georg Breuer aus Europa. Partner Europack stellt das Konzentrat direkt vor Ort im bulgarischen Sofia her. Der Proteingehalt bezogen auf die Trockenmasse liegt bei 51 Prozent. Es ist reich an Ballaststoffen (21 Prozent) und der Fettgehalt liegt bei neun Prozent. „Damit ist es auch ein sehr guter Rohstoff, um den Nutri-Score von Produkten zu verbessern.“ Die Proteinwertigkeit beziffert der Experte auf 63 Prozent. Zum Vergleich: Bei Soja sind es 67 Prozent. Für Ebert ausschlaggebend ist vor allem der neutrale Geschmack, frei von Bitterkeit. Zudem kann es hohe Mengen Wasser und Fett binden. Kommen Sonnenblumenproteine in Fleischalternativen zum Einsatz, können sie die Textur und die Struktur positiv beeinflussen sowie die Protein- und Nährwertgehalte steigern. Weitere Anwendungsbeispiele sind Aufstriche, Milchersatzprodukte und Backwaren sowie vegane Wurst oder Käse.„Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Protein von einer sehr hohen Verbraucherakzeptanz profitiert. Denn der Rohstoff ist uns allen durch das Öl sowie die Kerne der Sonnenblume vertraut“, resümierte Ebert.
Vom Joghurt zum Veghurt
Jonathan Herrmann, Technical Sales Dairy Alternatives bei Chr. Hansen konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die Herstellung milchfreier Alternativen zu Joghurt, so genannte "Veghurts" – eine weitere pflanzliche Produktkategorie, die weltweit von Jahr zu Jahr beliebter wird. Produktentwickler können mittlerweile aus einer ganzen Bandbreite pflanzlicher Rohstoffe, von Getreiden über Nüsse bis hin zu Hülsenfrüchten, auswählen, um das durch Fermentierung gewonnene Produkt zu kreieren. Angetrieben wird auch dieser Markt von den Verbrauchertrends Gesundheit, Geschmack und Nachhaltigkeit. „Käufer dieser Kategorie wollen möglichst viel über die Produkte erfahren und studieren mit höherer Wahrscheinlichkeit die Zutatenliste“, erklärte Herrmann. Allerdings sei für sie im Moment noch keine wesentliche Differenzierung zwischen den Marken pflanzlicher Milchalternativen zu erkennen, so Herrmann weiter. Die Rolle, die Bakterienkulturen vor diesem Hintergrund spielen, ist für den Experten eine zentrale: „Bei der Fermentation beeinflussen sie den Geschmack und die Textur. Sie können dem Produkt eine höhere gesundheitliche Wertigkeit geben und die Frischhaltung sowie die Qualität entscheidend beeinflussen.“ Gerade weil die Zusammensetzung von Veghurts vielfältiger als die herkömmlicher Milchprodukte ist, komme es in besonderem Maß darauf an, ausgewählte Kulturen zu verwenden, die es ermöglichen, Produkteigenschaften gezielt einzustellen.
Chr. Hansen stellt Produktentwicklern zu diesem Zweck die Vega-Kulturenreihe zur Verfügung. Sie besteht aus individuell zusammenstellbaren Starterkulturen, Probiotika und bioprotektiven Stämmen. „Das Culture Kit verbindet Einfachheit mit robuster Leistung und bietet Herstellern gleichzeitig die Flexibilität, für ihre Produkte individuelle Merkmale in Bezug auf Geschmack, Textur, Gesundheit und Nachhaltigkeit zu schaffen“, erläuterte Herrmann. Zu den Beispielen, die er nennt, zählen die Kulturen Vega Nu-Trish BY-101 und Nu-Trish GY-101. Sie bestehen aus einer klassischen Starterkultur und Chr. Hansens Bifidobacterium BB-12 beziehungsweise dem Lactobacillus rhamnosus LGG. Beide Mischungen liefern in Vegurts eine hohe Anzahl probiotischer Keime über die Haltbarkeitsdauer hinweg und bieten so die Möglichkeit Probiotika auf der Verpackung auszuloben. Wie alle Kulturen der Vega-Reihe werden sie aus Zutaten hergestellt, die milchfrei sind, keine genetisch veränderten Organismen enthalten und frei von Stoffen tierischer Herkunft sind. Sie eignen sich für die Verwendung in vegetarischen, veganen sowie Koscher- und Halal-zertifizierten Produkten.
Einsatzmöglichkeiten von Zuckerrohrfasern
Neben Proteinen und Probiotika zählen Ballaststoffe zum Fundament einer ausgewogenen Ernährung. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt mindestens 30 Gramm pro Tag aufzunehmen. Produkte, die mit Nahrungsfasern angereichert sind, werden von Verbrauchern in Sachen Gesundheit positiver bewertet. An diesem Punkt setzte Jennifer Zamanifar, Team Leader Food, International Sales bei CFF mit ihrem Vortrag an. Das Unternehmen produziert Zuckerrohrfasern und bietet sie zur Anreicherung von Lebensmitteln an. Je nach Dosierung der Zutat im fertigen Produkt lässt sich diese als Ballaststoffquelle ausloben.
Zur Herstellung von Zuckerrohrfasern nutzt CFF die sogenannte Bagasse – die faserigen, gemahlenen Reststoffe, die nach dem Auspressen von Zuckerrohr zurückbleiben. Sie bestehen vorwiegend aus Cellulose und Hemicellulose. „Schon bei den Getreideballaststoffen hat sich gezeigt, dass sich diese Zusammensetzung positiv auf die Insulinsensitivität auswirkt und damit Diabetes entgegenwirken kann“, erläuterte Zamanifar. Nicht bloß deswegen ist Zuckerrohr aus ihrer Sicht ein interessanter Rohstoff für Ballaststoffe. „Je gröber der Ausmahlgrad, desto funktioneller, das heißt desto mehr Wasser und Öl können die Fasern binden und desto mehr wirken sie sich auf die Textur von Lebensmitteln aus.“
Wie Fasern den Nutri-Score verbessern
Seit November 2010 sind Zuckerrohrfasern als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Zum Hintergrund: Neuartige Lebensmittel sind solche, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Der Einsatz der Fasern in der Lebensmittelindustrie muss gemäß den Vorgaben der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1023 erfolgen, welche die Höchstgehalte für die festgelegten Lebensmittelkategorien vorgibt. In Brot und Backwaren lassen sich beispielsweise bis zu acht beziehungsweise fünf Prozent Fasern einsetzen. „Ballaststoffe in Brot auszuloben, ist in Europa ab einem Gehalt von drei Prozent im Endprodukt möglich. Soll ein hoher Gehalt ausgelobt werden, müssen es mindestens sechs Prozent sein“, so Zamanifar. Gleichzeitig ist eine Kalorienreduktion möglich, wenn die Fasern anteilig das Mehl in der Rezeptur ersetzen. Auch in Hinblick auf eine Fettreduktion bei Backwaren habe man gute Resultate erzielt, etwa in Sandkuchen oder in Muffins. Für eine Auslobung auf der Verpackung empfiehlt die Expertin mindestens 30 Prozent des Fettgehaltes zu reduzieren.
Gesättigte Fettsäuren und ein hoher Energiegehalt gehören ernährungsphysiologisch zu den ungünstigen Bestandteilen, während Ballaststoffe positiv zu bewerten sind. Eine Zugabe der Zuckerrohrfasern kann folglich eine Verbesserung des Nutri-Scores mit sich bringen. Beides wirke sich positiv auf die Vermarktung eines Produktes aus, ist Zamanifar überzeugt. Letzteres ist nebenbei ein weiterer Sachverhalt, der zu den Kernergebnissen vom Ernährungsreport zählt: Bei 45 Prozent derjenigen deutschen Verbraucher, die den Nutri-Score schon einmal auf der Verpackung wahrgenommen haben, beeinflusste die Bewertung ihre Entscheidung zum Einkauf. Mareike Bähnisch