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In der vertikalen Landwirtschaft wachsen Pflanzen nicht auf freiem Feld: Sie werden in einer geschlossenen, kontrollierten Umgebung angebaut.

SKALIERBARE PFLANZENZUCHT IM GEWÄCHSHAUS

Indoor Farming hat sich als Zukunftsmodell im Rahmen der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft etabliert. Die modernen und zunehmend auch vertikal angelegten Gewächshäuser benötigen ein System, das intelligente Steuerungen und Sensoren miteinander verbindet. Automatisierung ist folglich ein Thema, das ganz oben auf der Agenda der "Inhouse Farming – Feed & Food Show" steht. Der Innovations-Treffpunkt der DLG findet vom 12. bis 18. November erstmals mit der Agritechnica in Hannover statt und präsentiert Technologien für den Anbau in geschlossenen Agrarsystemen.

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Von außen haben sie die Größe eines normalen Schiffscontainers, doch im Inneren befindet sich eine Farm: Dank modernster Automatisierungstechnik liefern mobile Vertical Farming- Lösungen wie GreenBox oder iFarm unter allen klimatischen Bedingungen das ganze Jahr über frische und lokal angebaute Salate, Kräuter oder Wurzelgemüse. So erweitern sie die Möglichkeiten des Nutzpflanzenanbaus und bringen die Lebensmittelproduktion in dicht besiedelte urbane Gebiete – und das mit weniger Wasser und Dünger als bei konventionellem Feldanbau.

Das gilt auch für Bustanica. Die weltweit größte Vertical Farm, gelegen nahe Dubai auf der Arabischen Halbinsel, liefert pro Tag etwa drei Tonnen Blattgemüse und versorgt damit ein Catering-Unternehmen, das mehr als 100 Fluggesellschaften bedient. Die Pflanzen werden dazu in mehreren Etagen übereinander angebaut. Um das Wachstum ganzheitlich zu überwachen, müssen viele Messgrößen mit leistungsstarker Technologie erfasst werden. Der Schlüssel dazu ist die Digitalisierung.

Sensorik für Bewässerung und Nährstoffinjektion

Indoor-Anlagen ermöglichen eine vollständig steuerbare, wetterunabhängige Umgebung, bei der alle gewünschten Klimabedingungen fortlaufend überprüft und optimiert werden Damit die geschlossenen Anbausysteme ihr volles Potenzial ausschöpfen können, benötigen sie Automatisierungssysteme, die intelligente Steuerungen und Sensoren miteinander verbinden. Zu finden sind diese Mitte November auf der "Inhouse Farming – Feed & Food Show" in Hannover. Mit dem Thema Controlled Environment Agriculture (CEA), einschließlich vertikaler Farmen, Containerfarmen, Aeroponik und Aquakultur, bündelt die neue DLG-Plattform als Teil der Agritechnica alle Aspekte des Indoor-Farmings und verknüpft diese mit den Ideen des Precision Farming.

„In den Mittelpunkt des Interesses rücken zunehmend Prozesssteuerung und Datenerfassung, die bei geschlossenen Anbausystemen immer komplexer werden“, bestätigt Marcus Vagt, DLG-Bereichsleiter Energie, Inhouse Farming und New Foods. Bestes Beispiel dafür ist die hydroponische Bewässerung, die ein optimiertes Nährstoffmanagement erfordert. Sowohl eine Über- als auch eine Unterschreitung des Optimums führen zu Schäden oder einem Totalausfall der Kulturen. Modernen Kontrolleinrichtungen und zuverlässige Bewässerungslösungen sorgen dafür, dass die richtige Menge an Wasser und Nährstoffen zur richtigen Zeit so effektiv wie möglich genutzt wird.

Dafür wird auf dem Messegelände eine ausgeklügelte Mischung aus Künstlicher Intelligenz (KI), smarter Sensorik und innovativer Robotik präsentiert, die den Aufbau einer umfassenden Monitoring-Infrastruktur ermöglicht. Vagt: „Die ausstellenden Technologieanbieter unterstützen dabei, die beste Automatisierungsstrategie für ein Vertical Farming-Projekt zu entwickeln – und die richtige Technologie dafür zu finden.“ Zum Einsatz kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Sensoren: Angefangen bei Durchflussmessern für die Wasser- und Nährstoffdosierung, über Drucksensoren für den Wasserstand sowie Leitfähigkeitssonden, um die Konzentration der Mineralien zu prüfen, bis hin zu Sensoren für die Druckregelung der Pumpen.

Integrierte Lösungen für Automatisierung und Betrieb

Vor allem das Vertical Farming stellt hohe Anforderungen an die Automatisierung, denn die Pflanzen wachsen in mehrstöckigen Metallregalen, die bis zu zehn Meter hoch sind. Jede Anlage verfügt auf den einzelnen Etagen über eine Vielzahl von E/A-Signalen, die zur Steuerung geführt werden müssen. Ein herkömmliches Systemdesign erfordert unter diesen Bedingungen einen erheblichen Programmierund Integrationsaufwand. Eleganter ist dem gegenüber beispielsweise die Anbindung sämtlicher Messegeräte mittels IO-Link-Technologie.

Derartige Feldmodule reduzieren nicht nur die Komplexität der Prozesssteuerung. Sie stellen auch mehr Daten aus jedem Sensor zur Verfügung, so dass sich der Bedarf an Sensorik insgesamt reduziert. Die Inbetriebnahme der Anlage von der physischen Verkabelung oder drahtlosen Anbindung der Sensoren bis hin zur Integration und Programmierung wird deutlich effizienter. Betreiber haben so die Möglichkeit, Wassermanagement, Klimasteuerung und Energieverwaltung des Gewächshauses über einen zentralen Prozesscomputer miteinander zu verbinden. Hinzu kommt: Die Anbauprozesse und Systeme lassen sich gut skalieren und zukünftige Projekte einfacher umsetzen – so wird der Zeitraum bis zur Inbetriebnahme kürzer.

Und auch die jüngsten Technologien aus der Supply Chain Automatisierung bieten enorme Flexibilität: Die Systeme zum Warenhandling oder fahrerlosen Transport lassen sich sowohl für die Prozesse und Räumlichkeiten des Vertical- Farming-Betriebs als auch für die Art und den Anbau der Pflanzen optimal konfigurieren. Shuttle-Systeme können Regaleinheiten mit Anzuchtplatten so bewegen, dass der Bedarf der Pflanzen an Wasser, Nährstoffen und Licht rund um die Uhr gedeckt ist und Keimung, Beobachtung, Pflege und Ernte erleichtert werden.

Mit OrbiPlant hat das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME ein vertikales Pflanzenzuchtsystem entwickelt, das genau das in Zukunft im Großmaßstab ermöglichen soll. Die Pilotanlage in Aachen verfügt über eine 24 Quadratmeter große Anbaufläche. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden bietet OrbiPlant einige prozesstechnische Neuheiten. So kommt ein wellenförmiges Förderbandsystem zum Einsatz, das die Pflanzen fixiert und sie kontinuierlich im Raum neu ausrichtet. Durch die Rotation sind die Pflanzen gezwungen, sich immer wieder neu im Schwerefeld der Erde auszurichten. Dieser orbitropale Effekt stimuliert die Produktion von Pflanzenhormonen, welche das Zellwachstum anregen. Darüber hinaus verfügt die Anlage über ein aeroponisches Bewässerungssystem, bei dem die Wurzeln in der Luft hängen und über einen Sprühnebel mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Eine optimale Belichtung der Pflanzen wird während der gesamten Kultivierungsdauer durch modulare LEDTechnik gewährleistet und durch zusätzliche CO2-Düngung die Qualität und Erntemenge erhöht.

Resilienz für die Indoor-Farming- Produktion

Indoor-Produktionssysteme wie OrbiPlant weisen spezifische Herausforderungen hinsichtlich ihrer technischen Resilienz auf, die sich aus der geschlossenen Umgebung bei gleichzeitig hohen Pflanzendichten ergeben. Aus diesem Grund untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IME gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT auch relevante Störfälle im Rahmen einer exemplarischen Basilikumproduktion.

Ziel war es, Ansätze zur Etablierung eines resilienten Produktionsprozesses abzuleiten. Dazu induzierten die Forschenden auf zwei OrbiPlant- Anlagen technische und pflanzenspezifische Störfälle, die durch geeignete Sensorik und Echtzeiterfassung der Anlagendaten eindeutig detektiert werden konnten. Der dabei verfolgte Resilienz-Ansatz geht über ein einfaches Monitoring mit Fehlerbenachrichtigung hinaus und soll künftig einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln leisten.

Das Beispiel zeigt: Die Vision vom Indoor Farming lässt sich nur interdisziplinär mit einer Kombination aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie aus Landwirtschaft und Produktionstechnik umsetzen. „Mit der "Inhouse Farming – Feed & Food Show" bieten wir der Branche eine neue B2B-Plattform, die neben der Präsentation zukunftsweisender Technologien auch dem Wissensaufbau und dem interaktiven Austausch zu Best Practices dient“, betont Marcus Vagt. Vom 12. bis 18. November gewinnen Messebesucher in Hannover einen aktuellen Überblick zu den Produktionssystemen für eine nachhaltige Landwirtschaft und sie können sich über die Herausforderungen des modernen Pflanzenbaus informieren.


Diesen Artikel finden Sie in LT 7-8/2023 auf den Seiten 8 und 9.

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