VOM SPEKTRUM DER NATUR PROFITIEREN
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In den Entwicklungsabteilungen der Food Branche stehen neue Wege auf pflanzlicher Basis hoch im Kurs – zum Beispiel bei der Zuckerreduktion. Wie das Marktforschungsunternehmen Mintel jüngst untersucht hat, legen mehr Verbraucher*innen Wert auf ihre Gesundheit und versuchen, weniger davon zu sich zu nehmen. Folglich ist auch die Zahl der Produktneueinführungen mit weniger Zucker in Europa gestiegen. Den größten Anteil hatten sie in den vergangenen fünf Jahren in Großbritannien (15 Prozent), dicht gefolgt von Deutschland (13 Prozent) und Frankreich (zehn Prozent). In Polen haben sich die Zahlen seit 2016 verdoppelt, mit neun Prozent an Produktneueinführungen "ohne Zusatz von Zucker" im Jahr 2021.
Potenziale für die Produktentwicklung verspricht in diesem Zusammenhang zum Beispiel der Einsatz von Kokosmehl. Was sich hinter dem Rohstoff verbirgt, weiß Christine Grotendiek, Geschäftsführerin bei Coconut Business in Wertingen. Als Expertin auf dem Gebiet der Kokosingredienzien stellte sie die Vorteile der tropischen Frucht in den Mittelpunkt ihres Vortrages zu Beginn des GDL-Webinars. Das Portfolio ihres Unternehmens umfasst verschiedene Produkte, die aus dem Fleisch, dem Saft (Wasser) und dem Blütensaft der Steinfrucht in Bio-Qualität gewonnen werden. So unterschiedlich die einzelnen Zutaten sind, so vielfältig sind auch ihre Einsatzmöglichkeiten – von veganen Milchgetränken, über Desserts bis hin zu Fertiggerichten.
Vor allem Kokosmehl bedarf aus der Sicht von Grotendiek „einer Wiederentdeckung“. Die Herstellung der Zutat erfolgt aus dem Presskuchen, der bei der Kaltpressung des frischem, weißem Kokosnussfleisch anfällt. Nach dem Kaltpressen des Virgin Öls wird der Presskuchen getrocknet und zu einem feinen, weißen Mehl vermahlen. Es riecht und schmeckt aromatisch nach Kokos und ist glutenfrei. Ein wesentlicher Vorzug des Kokosmehls ist für Grotendiek der hohe Mineralstoffgehalt: „100 Gramm decken 95 Prozent des Tagesbedarfes an Selen. Das ist für uns einer der Gründe, warum wir es unerkanntes Superfood nennen. Zudem ist es reich an Kalium, Magnesium und Zink.“ Weitere Merkmale seien ein hoher Ballaststoffgehalt und die natürliche Süße, die Kokosmehl mit sich bringt. Sie eröffnet Produzenten neue Möglichkeiten, den Zuckeranteil in ihren Rezepturen, etwa bei Backwaren, zu reduzieren.
Proteine mit Erfrischungspotenzial
„Was definitiv zum Interesse der Verbraucher nach Natürlichkeit und Gesundheit passt, auf dem Markt aber noch fehlt“, sind aus der Sicht von Dr. Isabel Muranyi, pflanzliche proteinreiche Getränke mit einem erfrischenden Charakter. Den Grund für diese Lücke sieht die Wissenschaftlerin vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung, IVV in der technologischen Verarbeitung. Denn pflanzliche Rohstoffe enthalten häufig antinutritive Inhaltsstoffe, „welche die Verwertung der wertvollen Proteine herabsetzen können“, wie Muranyi bei der GDL-Veranstaltung erklärte. Hinzu komme: Pflanzliche Proteine sind sehr groß und neigen im sauren Milieu zur Aggregation. Für den Einsatz in sauren Erfrischungsgetränken ist dies ein Problem, da sie dann ungelöst in Form eines Bodensatzes im Gefäß zurückbleiben. Im Mittelpunkt eines laufenden Projektes der Forscherin steht daher die Verkleinerung der Molekulargewichtsgröße der pflanzlichen Proteine. „Indem wir sie zu Peptiden teilen, können wir die Löslichkeit über den gesamten pH-Wert-Bereich stabilisieren“, so Muranyi.
In Freising wählten die Forscherin und ihr Team in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der Technischen Universität München dafür einen innovativen Weg: Für die Proteinhydrolyse von Lupinensamen werden Frucht- und Gemüsesäfte zugesetzt, die noch aktive Enzyme enthalten. Anschließend erfolgt durch die Zugabe von Milchsäurebakterien eine mikrobielle Fermentation, um unerwünschte Begleit- und Bitterstoffe zu neutralisieren und den Geschmack zu optimieren. „Nach Konzentrierung und Trocknung steht dann ein sensorisch ansprechender Getränkegrundstoff mit einem hohen Anteil an löslichen Proteinen zur Verfügung“, so Muranyi.
Bisher haben sich die Wissenschaftler*innen bei ihren Arbeiten auf vorgekeimte Lupinensaat als Rohstoff konzentriert. Denn die Aufbereitung der Saat aktiviert endogenen Enzyme, die zur Proteolyse beitragen, Zellmembranen aufspalten und so antinutritive Substanzen wie die Oligosaccharide und Phytinsäure abbauen. „Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich aber auch auf weitere Vertreter der Leguminosen wie Erbse oder Soja übertragen“, erklärte Muranyi. Als nächstes wollen sie und ihr Team die besten Verfahren und sensorisch ansprechenden Getränkegrundstoffe mit höchstem Gehalt an löslichen Proteinen in den Technikumsmaßstab übertragen, sowie ein Endprodukt formulieren, um die industrielle Machbarkeit abschätzen zu können. Unternehmen erhalten dadurch konkrete Impulse für die eigene Produktentwicklung.
Hürden beim Färben meistern
Die pflanzenbasierte Ernährung ist wegen ihrer funktionellen und gesundheitsfördernden Eigenschaften gefragter denn je. Lebensmittel und Getränke aus dieser Kategorie werden von deutschen Verbrauchern immer öfter gekauft. Sie achten dabei vermehrt auf Produkte und Inhaltsstoffe, die zur Funktion des Immunsystems beitragen. Kurkuma ist eines dieser funktionalen Lebensmittel, mit dem sich Fabian Zanders aus der Forschung & Entwicklung bei GNT in Aachen in seinem Vortrag beschäftigte. Bereits 2016 hatte Mintel die Zutat zum Superfood des Jahres gekürt, da es wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung weltweit in immer mehr Produkten zur Anwendung kommt. Die Gelbwurzel gehört zur Familie der Ingwergewächse (lat. Zingiberaceae). Traditionell verwendet wird das Rhizom der Pflanze, feingemahlen als Gewürz. Verantwortlich für seine gesundheitsfördernden Eigenschaften ist unter anderem der enthaltene sekundärer Pflanzenstoff Curcumin.
Wegen seinem intensiven Gelbton ist Kurkuma vermehrt als natürlicher Farbstoff in Lebensmitteln und Getränken zu finden. Wird der Rohstoff als Färbendes Lebensmittel verwendet, lässt er sich als Clean-Label-Zutat ausloben – vorausgesetzt die Applikation entspricht den Vorgaben der Guidance Notes. Wesentliches Kriterium ist demnach ein geringer Anreichungsfaktor der färbenden Stoffe durch Vermeidung selektiver Extraktion. Dies ist laut der EU-Richtlinie bei einer Anreicherung bis zum Faktor sechs bezogen auf die nutritiven und aromatischen Komponenten des Ausgangsmaterial erfüllt. Erst dann handelt es sich um eine Zutat, die keiner Zulassung bedarf und folglich nicht als Farbstoff deklariert werden muss. Neben der färbenden Wirkung steht die ernährungsphysiologische Wirkung im Vordergrund. Der Vorteil: „Da das natürliche Rohmaterial vollständig verwertet wird, ohne dabei die Farbpigmente selektiv anzureichern, bleiben die nutritiven Bestandteile weitestgehend erhalten“, so Zanders.
Der Einsatz Färbender Lebensmittel ist nicht immer ganz einfach. Oft besteht die Herausforderung darin, die Färbenden Lebensmittel so zu kombinieren, dass sie die erforderliche Stabilität aufweisen. Im Falle von Kurkuma hat Lichteinfluss „eine unmittelbare Auswirkung, die zu schnellen Farbabbau führt, da dann das Pigment oxidiert“, wie Zanders in seinem Vortrag beim GDL-Webinar erläuterte. „Eine weitere Schwierigkeit ist die steigende Pigment Instabilität im alkalischen pH-Wert-Bereich. In sauren Anwendungen wird das Pigment dagegen deutlich stabiler, neigt aber in reinen wässrigen Lösungen zur Sedimentation.“ Höhere Temperaturen wiederum erhöhe die Löslichkeit des Pigments. Die Farbintensität nimmt deutlich zu, bis eine intensive gelbe Farbe erreicht wird. In Ethanol, Fetten und Ölen – „gerade, wenn noch Temperaturschritte dabei sind – ist das Pigment sehr gut löslich, wodurch es eine intensive Färbung bekommt.“
GNT unterstützt bei der Applikationsentwicklung und Auswahl geeigneter Färbender Lebensmittel. Mit der Exberry-Linie steht eine große Bandbreite zur Verfügung, die auf natürlichen Rohstoffen basiert. Sie wird aus Früchten, Gemüse und essbaren Pflanzen in einem physikalischen Verfahren unter Verwendung von Wasser hergestellt. Die Formulierungen sind flüssig oder als Pulver auf unterschiedliche Applikationen anwendbar. Insgesamt können Kunden aus mehr als 400 verschiedenen Farbtönen auswählen. Das bietet nicht nur für Getränke viel Freiraum für Kreativität, sondern auch für Süßwaren, Molkereiprodukte, Backwaren oder Herzhaftes. Auch Kurkuma lässt sich in verschiedenen Kategorien einsetzen. Zu den unterschiedlichen Applikationen zählen etwa Fertiggerichte, Soßen, Eiscreme, vegane Wurst sowie verschiedene Getränke. „Wir sind in der Lage durch definierten Anbau mit ausgewählten Sorten die Farbe so zu beeinflussen, dass wir Schwankungen im Ton ausgleichen können. Das wird um so wichtiger, wenn Farbmischungen erzeugt werden, zum Beispiel aus Kurkuma und Spirulina, um verschiedene Grüntöne zu erhalten“, sagte Zanders abschließend. Mareike Bähnisch